Das letzte Wort

Heinz Müller war Mitbegründer von Terra Vecchia. 50 Jahre lang hat er engagiert als Stiftungsrat mitgewirkt, ohne dabei den Stiftungszweck aus den Augen zu verlieren. Nun ist für den 78-Jährigen die Zeit gekommen, um Adieu zu sagen. Er hat «Das letzte Wort».

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Das letzte Wort
Das letzte Wort

«Die Stiftung Terra Vecchia hat mein Leben geprägt. Als Jürg Zbinden und ich sie im Jahr 1973 gründeten, war ich knapp 28 Jahre alt. Nun bin ich 78 geworden und komme zur Überzeugung, dass die Zeit reif ist, um mich aus dem Stiftungsrat zu verabschieden. Wir haben uns gegenseitig geformt: die Stiftung und ich. Durch mein Engagement fühlte ich mich stets der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung verpflichtet, was meinen beruflichen Werdegang erklärt. Gleichzeitig hat meine langjährige Mitarbeit im Stiftungsrat dazu beigetragen, dass sich die Organisation entwickeln konnte. Mir lag viel daran, integrativ zu wirken und den *Stiftungszweck nicht aus den Augen zu verlieren. Dass die Angebote von Terra Vecchia auch 50 Jahre nach ihrer Gründung dem ursprünglichen Zweck entsprechen, bedeutet mir viel.

Ich habe während fünf Jahrzehnten verschiedene Epochen erlebt. Es gab die Zeit des Aufbruchs im Tessin, die von Versuch und Irrtum geprägt war. In den 1980er-Jahren sprang der Funke vom Südkanton in die Region Bern über. Die Angebote in Gümligen und Detligen gewannen zunehmend an Bedeutung. Ich erinnere mich, dass während dieser Zeit erstmals ein Lohnsystem eingeführt wurde. Es war nicht einfach, die unterschiedlichen Standorte und Ideologien zu vereinen, soziale Konflikte waren unvermeidlich, die mich als Vermittler forderten. Dennoch drifteten die beiden Strömungen auseinander, und im Jahr 2004 kam es zur Trennung. Auch in dieser Situation habe ich mich an den ursprünglichen Zweck der Stiftung gehalten, der mir immer am Herzen lag.

Die Ereignisse der letzten Jahre empfinde ich persönlich als spannendste Etappe in der Geschichte von Terra Vecchia. Wir haben es geschafft, die Sozialtherapie und die Arbeitsintegration optimal miteinander zu verbinden. Um Menschen erfolgreich in die Gesellschaft zu integrieren, braucht es diese beiden Pole. Die Sozialtherapie lindert menschliches Leid, die Arbeitsintegration macht lebenstüchtig. Ich bin überzeugt, dass jedes Humansystem auf solche Angebote angewiesen ist, denn es wird immer Menschen geben, die aus dem Rahmen fallen und entsprechende Unterstützung benötigen. Umso wichtiger ist es, ein breites Spektrum an Angeboten zur Verfügung zu stellen. Darauf sollte die Stiftung auch zukünftig Wert legen.

Die wichtigste Eigenschaft, welche Terra Vecchia seit der Gründung bewiesen hat, ist ihre Fähigkeit zur Veränderung. Diese Flexibilität wird auch zukünftig gefragt sein: Es werden viele gesellschaftliche Herausforderungen auf uns zukommen. Ich bin davon überzeugt, dass die Stiftung Terra Vecchia über ausreichende Kompetenzen verfügt, um darauf zu reagieren und ihre Wandelbarkeit unter Beweis zu stellen. Denn für Menschen und Organisationen gilt das gleiche Prinzip: Entwicklung bringt uns weiter.»

 

Steckbrief

Name:
Heinz Müller

Funktion:
Mitbegründer Stiftung Terra Vecchia, erster Präsident (1973 bis 1974), Stiftungsrat (1974 bis 2022)

Beruf:
Dipl. Sozialarbeiter, bis 2009 Dozent und Professor an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz

Aktuell:
Eigene Praxis als systemischer Berater, Coach und Supervisor

Familie:
Verheiratet, zwei erwachsene Söhne und drei Grosskinder

Hobbys:
Garten, zeichnen, lesen, unser Araberpferd

*Stiftungszweck Terra Vecchia

Die Stiftung mit Sitz in Bern bezweckt die Hilfe an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die in der Auseinandersetzung mit sich und der heutigen Welt bedroht und gefährdet sind, mittels Angebot des Erlebens einer Gemeinschaft, die etwas Sichtbares schafft und unsichtbar Fundamente zu einer sinnvollen Existenz legt.